Förderpreis des Berliner Hörspielfestival e.V.
Sonntag, 21. September / 21 Uhr (Uraufführung Judith Humer) / 21.45 Uhr (Preisverleihung 2025) / Halle 3
Das zündende Mikro (★) ist seit 2021 unser wettbewerbsübergreifender Förderpreis für Debütant:innen, die ihr erstes oder zweites Stück zum Festival einreichen und in einer der Wettbewerbskategorien nominiert worden sind. Dieser Preis ist ein Zusatzpreis zu den übrigen Kategorien und wird vom Berliner Hörspielfestival e.V. vergeben. Er beinhaltet die Unterstützung bei der Produktion eines neuen Stückes. Das neue Stück wird außer Konkurrenz auf dem nächsten Festival vorgeführt.
Um den Förderpreis im Jahre 2025 konkurrieren folgende Stücke bzw. Produzent*innen:
Wettbewerbskategorie
Produzent*innen
Antonia Walther: Warum nimmt sie nicht ein Taxi? / 36:00 ★
Amir Shokati: Zone Orient – made in Germany / 40:40 ★
Kaya Peters: Verlorene Stimmen des Widerstands – Bizim Radyo / 56:12 ★
Jasper Zeitz: Fräulein Hildegard / 28:10 ★
Arne Bilda: Kalte Kreise / 14:41 ★
Felix Geiser: Prompt, lebe wohl / 15:21 ★
Amina Hassan und Julie Guigonis: Nachmittag der Hand / 09:20 ★
Pit Schaaf und Franziska Starmarple: Kitchen Bonaparte / 17:58 ★
Dominik Wachsmann und Dennis Kley: Die Projektpolizei / 06:49 ★
paula van well: einwegwurzeln / 12:32 ★
Michael Duszat: Bashslap und Joyful bedienen eine Wilkommensmaschine / 3:24 ★
Nora Lessing: Noftallkit / 1:40 ★
Robin Heyder: Milch Yoga – Der Weg zur Molke / 2:37 ★
Lisa Paladino: Das Literarische Mau-Mau / 3:30 ★
Jonas Bluhm: Die Neologismusmaschine / 1:00 ★
Sascha Riecken: Stelle Dich / 1:00 ★
Rose Türemis: Die Kommode / 1:00 ★
Der Förderpreis 2024
Judith Humer: Huu / 4:03
„Die Bings und Bieps aus unseren Geräten, die Seufzer und Laute aus unseren Lungen, das Drinnen, das Draußen und Gespräche, geführt von unseren Fingerspitzen, die zwar Wörter tippen, sie aber doch nie aussprechen. In „Huu“ kämpft sich eine Protagonistin durch einen ganz normalen Tag zwischen Überforderung und der fernen Idee von Ruhe, jenseits des gesprochenen Worts.“ (J. Humer)
Judith Humer ist eine österreichische Theatermacherin. Sie studierte romanische Literatur an der Universität Wien. Während und nach ihrem Studium arbeitete sie als Regie- und Dramaturgieassistentin an zahlreichen deutschsprachigen Theaterhäusern, seither ist sie als freie Regisseurin, Dramaturgin und Produktionsleiterin tätig. Ihre Theaterarbeiten wurden in Österreich, Deutschland und Norwegen gezeigt. Sie lebt in Wien und Berlin.
Die Laudatio des Berliner Hörspielfestival e.V. auf Judith Humer findet ihr hier.
Judith Humer stellt ihr neues Stück „Imaginäre Freunde“ am Sonntag, 21. September (21 Uhr / Halle 3) vor, gemeinsam mit Malte Giesen, Leiter des Studios für elektroakustische Musik, in dem das Hörspiel produziert wurde. Im Anschluss gibt es eine Vorführung des Subharchords, einer historischen Rarität aus dem E-Studio.

Der Förderpreis 2023
Tilman Böhnke und Alexander Scharf: Zorn der Göttin / 1:00
„Während einer Hörspielproduktion kommt es zu einer Katastrophe. Dem aufstrebendem Regisseur geht es jedoch vielmehr um die Rettung seiner Equipments. Trauernd fühlt er seiner Technik nach.“ (Böhnke / Scharf)
Laudatio auf „Zorn der Göttin“
In diesem Jahr konkurrierten 3 Produktionen um das zündende Mikro, man erkennt sie im Programm am roten Geburtssternchen. Und unser diesjähriger Morgenstern, der ruft dazu auf: „Singe den Zorn, oh Göttin …“
Tilmann Böhnke und Alexander Scharf, Ihr habt uns mit Eurem 1-Minüter „Zorn der Göttin“ davon überzeugt, geniale Debütanten zu sein! Obendrein habt Ihr in Susann Altmanns Kurzen-brennenden-Mikro-Stück „Am Ende wird alles gut und wenn es nicht gut ist, dann ist es trotzdem das Ende“ Euer Potential in Ton und Regie unter Beweis gestellt. Statt einer Laudatio verlesen wir einige Statements unser Vereins-Jury: plurale Meinungsfindung, plurale Laudatio. Hier unsere Stimmen für Euch:
Anja sagt: „Der Alptraum eines jeden Hörspielmachers wird wahr – und das nur in einer Minute! Geniales Sounddesign spült die Hörerschaft ‚mit Talent‘ zwischen Regieraum und Sprecherkabine hin und her – lasst euch mitreißen.“

Kano pflichtet bei: „Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass eine Minute für eine gute, wenn auch kurze Geschichte ausreicht, vor allem, wenn’s brennt. Das Team überzeugt durch eine ungewöhnliche Umsetzung der Aufgabenstellung und eine gute Produktionsqualität. Den Zorn der Göttin sollte man allerdings niemals heraufbeschwören, wirklich niemals.“
Denn, wie Christian feststellt: „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit!, könnte über dem Stück stehen. Man könnte aber auch ein nahezu biblisches Gleichnis raushören, das das Verhältnis von Mensch und Schöpfung in ihren verschiedenen Ausprägungen thematisiert: Natur, Technik, Kunst. […] Große Fragen – in nur einer Minute verhandelt. Die beiden Sprecher geben alles.“
Andreja wiederum merkt spätestens bei Christians Kommentar: „Die Kraft dieses Hörspiels ist sein sagenhafter Bedeutungshof, der eine Vielzahl von Assoziationen und Interpretationen zulässt!“
Zum Beispiel diese hier von Frank: „Ein klassisch antikes Drama der Gegenwart und nicht ganz ohne Ironie, wenn über die Hörkunst eine Sturzflut bricht, deren Ursache wie so oft menschliches Versagen ist, zeigt sich in nur einer Minute und verdeutlich implizit das Schicksal des Hörspiels, da alle Welt unbedacht zündelt.“
Von Jochen kommt der Hinweis: „Wenn am Ende alles gut wird, weil man es noch mal mit Talent versucht hat, dann haben Tilmann Böhnke und Alexander Scharf nicht nur ihr Audio-Equipment vor den Fluten aus ihrer Sprinkleranlage gerettet, sondern außerdem gezeigt, wie man mit Sounds erzählt, was nicht schon im Text gesagt wurde.“
Jemand, der oder die anonym bleiben möchte, fasst zusammen: „Mit Talent wurde dieses witzige und auch nerdige Minihörspiel vertont (wer außer Menschen, die mit Ton arbeiten, versteht wohl die Verzweiflung in der Stimme bei der aufgerufenen versinkenden Aufnahmetechnik?) Das Stück, die Tongestaltung und Regie machen Lust auf mehr!“
Lieber Tilmann, lieber Alex, da habt ihr‘s: Wir haben Lust auf mehr!
In Euerm Hörspiel heißt’s gleich am Anfang: „Wir machen’s einfach nochmals von vorne“.
Wir nehmen Eure Verheißung beim Wort: Bitte nochmal! Mit Talent!
Herzlichen Glückwunsch zum zündenden Mikro 2023!
Der Berliner Hörspielfestival e.V.
Der Förderpreis 2022
Sarah Lena Steinhauser: Mohnrot / 9:46
„Gefangen zwischen den Störgeräuschen der Vergangenheit und den Zwangsgedanken der Gegenwart. Gesucht wird ein Ausweg in die Freiheit. Ein Leben frei von Zwang. Frei von Angst. Der Ausweg soll eine Mutprobe sein. Eine Frau zurrt sich zwischen den Gleisen fest. Sie konfrontiert sich mit dem Ungetüm aus Metall, das unbarmherzig über die Gleise rattert. Gleich dem Zug ihrer Gedanken und Erinnerungen. Über sie hinweg. Eine Frau legt sich auf die Gleise, um zu überleben.“ (S. L. Steinhauser)
Die Laudatio auf das Gewinnerstück „Mohnrot“ von Sarah Lena Steinhauser:
„Es war einmal ein warmer Tag. Ich lief einen einsamen Weg am Feld entlang. Ich erinnere mich an rote Mohnblumen zwischen dem Korn.“ Mit diesen Worten beginnt das Hörspiel „Mohnrot“ von Sarah Lena Steinhauser – in dem es später heißt:
„Dreh dich nicht um, dann passiert dir nichts.
Du darfst niemandem davon erzählen.“
Sarah, Du brichst dieses Erzählverbot und schilderst mit atemberaubender Eindringlichkeit die Innensicht einer versehrten Seele: Bewusstseinsströme eines Missbrauchsopfers, die uns überwältigt haben. Es ist ergreifend, wie intim und sensibel uns Deine Sprecherin Ilina Schkolnik in drei kunstvoll akustisch abgesetzten Erzählebenen die traumatischen Erinnerungen, die zwangsneurotischen Verhaltensweisen und den Entgrenzungsversuch einer Traumatisierten mit den Stilmitteln der Wiederholung und der Abbrüche nahebringt.
Das Rot des Mohns auf dem Feld, in Deinem Hörspiel zugleich konkreter Ort und Metapher des Schmerzes, erinnert uns an die Verletzlichkeit, die Emil Noldes Mohnblumenbildern innewohnt. Dein Monolog erinnert in seiner allmählichen Entblätterung einer zerrütteten Psyche aber auch an den „Monolog der Terry Jo“ von Max Bense und Ludwig Harig, einen Meilenstein der akustischen Traumaverarbeitung, der bei Dir ein Fortleben mit anderen Stilmitteln findet.
Dein Ich legt sich in „Mohnrot“ zwischen die Gleise, um vom Zug überfahren zu werden – doch nicht, um zu sterben, sondern um zu leben, zu überleben, um überhaupt wieder zu fühlen, als Notausgang aus dem Gefängnis des Erlebten. Wir haben daran Teil, ganz unmittelbar – nein: immersiv. Denn Dein Stück ist in 3-D-Audio produziert. Damit gehst Du auch tontechnisch zukunftsweisende Wege, um Innenwelt wortwörtlich spürbar zu machen.
Wie es am Ende von „Mohnrot“ heißt: „Ich spüre mein Herz. Es schlägt. Mich. Von innen.“
Dein Erstlingswerk geht mitten rein. Es schlägt auch uns – von innen. Damit hast Du uns überzeugt, dass Du eine geniale Debütantin bist!
Vielen Dank, dass Du erzählt hast. Wir sind gespannt, was Du uns noch erzählen wirst.
Herzlichen Glückwunsch zum „Zündenden Mikro“ 2022!
Der Berliner Hörspielfestival e.V.
Der Förderpreis 2021
Annedore Bauer: Die Unantastbaren / 58:27
„Eine Kleinstadt in der BRD der 70er und 80er Jahre. Dort erlebt sie ihre Kindheit in einer Einrichtung für geistig und körperlich behinderte Menschen. Draußen – Eßpapier, amerikanische Soldaten und die Fahndungsplakate der RAF. Drinnen – eine protestantisch geprägte Welt inmitten nicht perfekter Körper. Ein Hörspiel voller Widersprüche. Über das Erinnern, die Sehnsucht nach heiler Kindheit und die erneut dringliche Frage: Was wird mit jenen, die sich nicht optimieren können?“ (A. Bauer)
Laudatio:
„Liebe Annedore Bauer,
Du hast uns überzeugt, dass Du eine geniale Debütantin bist! Dein Erstlingswerk „Die Unantastbaren“ nimmt durch ein hervorragendes Manuskript für sich ein, das gekonnt zwischen subjektivem Erleben und objektiver Betrachtung mäandert. Deine poetischen Bilder – ich denke nur an: „Renzo – sein Arm ein knorriger Ast. Der Baum vor dem Fenster ist er. Irgendwie immer schon“ lassen mit minimalen Mittel eine Welt entstehen.
Lebendig und berührend erzählst Du aus der erinnernden Sicht Deiner Kindheit über das Thema Euthanasie an behinderten Menschen, das vor Deiner Zeit stattgefunden hat und dennoch prägend für Dein Weltverhältnis ist. In Deinem Stück heißt es: „Irgendwo da muss das angefangen haben mit dem Schweigen, keine 2 Schritte links vom Gemüsebeet.“ – danke, dass Du das Schweigen hörbar gemacht hast!
Es ist auch die Meisterschaft Deines Schauspiels, Annedore, das einem schlicht den Atem raubt. Wie Du es schaffst, von der sachlichen O-Tongeberin in die Rolle Deiner selbst als Kind zu schlüpfen, wie Du zwischen rückhaltloser Auflösung und erzählerischer Fassung zu wechseln vermagst. Wie Du nicht davor zurückschreckst ganz nackt dazustehen mit all Deinen Gefühlen, ohne dabei sentimental zu werden. Du bist hier Schauspielerin und Figur in einem, was für ein Drahtseilakt.
All das ist ganz und gar aus dem akustischen Medium heraus gedacht und komponiert: Ganz stark sind die klanglichen Atmosphären, die verschiedenen akustischen Schauplätze, die verschiedenen Stimmqualitäten und nicht zuletzt der Einsatz der Musik – all das ist integraler Bestandteil Deines Stückes und erzählt die Geschichte auf anderen Ebenen weiter. Ein „arteigenes Sendespiel“ nach allen Regeln der Kunst. Du hast in Form einer Kindheitserzählung Zeitgeschichte aufgearbeitet und genuine Hörkunst daraus gemacht. „Keine fette Narbe. Einfach eine Unverträglichkeit an der Welt. Daraus macht man kein Projekt“? Nein, das macht man nicht. Man macht daraus Kunst, wenn man es kann. Du kannst es und von Dir wollen wir gerne mehr hören!
Der Preis besteht in einer Zumutung: wir fordern Dir ein neues Stück ab, wie es der Zöllner in Brechts Gedicht von der Entstehung des Buches Taoteking dem Philosophen Laotse abgefordert hat. Damit Dir das etwas leichter fällt, darfst Du dieses neue Stück im legendären Studio für elektroakustische Musik der Akademie der Künste produzieren. Bis zu vier Tage mit technischer Betreuung durch die dortigen Toningenieure stehen zur Verfügung – und einen kleinen Produktionskostenzuschuss in Höhe von 300,- Euro gibt es auch noch. Nächstes Jahr möchten wir das maximal 20-minütige Ergebnis außer Konkurrenz auf unserem Festival präsentieren. Wir sind jetzt schon gespannt und wir freuen uns darauf.“ (Andreja Andrisevic / Jochen Meißner)
